DFB kämpft gegen den Trend:Tatort Spielfeld: Schiris werden Mangelware
von Ralf Lorenzen
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Zwei Profis pfeifen in Nierstein ein Bezirksliga-Spiel - damit will der DFB dem Schiedsrichtermangel begegnen. Ganz in der Nähe des Orts wurde vor kurzem klar, warum es den gibt.
In der Zeit zwischen 2006 und heute hat sich im DFB die Anzahl der Schiedsrichter fast halbiert.
Quelle: imago
So mancher Zuschauer dürfte am Samstag das Bezirksliga-Spiel VfR Nierstein gegen TSV Mommenheim allein wegen der Schiedsrichter besuchen. Je eine Halbzeit lang leiten die Bundesliga-Profis Anton Stach (FSV Mainz 05) und Nils Petersen (SC Freiburg) das Spiel.
DFB will Trendwende
Die Aktion gehört zum vom DFB ausgerufenen "Jahr des Schiris", mit dem der Schiedsrichter-Schwund im Amateurbereich bekämpft werden soll. "Die Zahl ist extrem rückläufig", sagte DFB-Abteilungsleiterin Moiken Wolk:
Gründe für den Rückgang konnte man vor einem Monat nur 15 Kilometer entfernt bei einem anderen Spiel der Bezirksliga Rheinhessen finden. Der Schiedsrichter des Derbys zwischen FSV Nieder-Olm und TSV Zornheim, der 28 Jahre alte Josip Pfadt, hat nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen einen Spieler der Heimmannschaft wegen Bedrohung, Beleidigung und Diskriminierung sowie einen Zuschauer wegen Morddrohung und Rassismus gestellt.
Anzeige wegen Bedrohung und Rassismus
Der Spieler soll ihn im Spiel als "Hurensohn" bezeichnet haben, worauf er ihm die Rote Karte zeigte. Beim Verlassen des Platzes hatte der Spieler die Beleidigung - was unstrittig ist - deutlich vernehmbar wiederholt. Nach dem Spiel soll ein Zuschauer zu Pfadt gesagt haben: "So Ausländer wie Du verdienen einen Kopfschuss."
Die Beleidigung vor der Roten Karte und die Aussage des Zuschauers werden bestritten. Der Spieler soll laut Verein mittlerweile eine Gegenanzeige wegen Verleumdung gestellt haben. Die Polizei und das zuständige Sportgericht ermitteln.
Anklage auf Social Media
"Ich hatte schon ein paar negative Erfahrungen in diesem Jahr, aber das war der Höhepunkt", sagt Pfadt gegenüber ZDFheute.de: "Das war der Punkt, an dem ich gesagt habe: Es reicht, das veröffentliche ich jetzt."
Auf die Veröffentlichung seiner Vorwürfe auf Social Media habe er viele positive Reaktionen bekommen. Pfadt: "Es haben sich auch viele Schiedsrichter mit der Aussage gemeldet: 'Endlich sagt es mal einer'." Der zuständige Schiedsrichter-Obmann habe ihn allerdings für die Veröffentlichung kritisiert.
Verein fühlt sich geschädigt
Das sieht auch Christoph Loré, der Vorsitzende des FSV Nieder-Olm, so: "Es ist ein schwebendes Verfahren. Ich finde es extrem schlecht, dass man über Social Media unbewiesene Behauptungen in die Welt setzt und der ganze Verein den Schaden davonträgt", sagt Loré gegenüber ZDFheute.de. Er habe besorgte Anrufe von Eltern und Sponsoren erhalten.
Anrufe von besorgten Schiedsrichtern erhält seit längerem Schiedsrichter-Obmann Heinz Krollmann aus dem Fußballkreis Mainz-Bingen. Diese bitten ihn, bei einem bestimmten Vereinen nicht mehr eingesetzt zu werden oder ein Spiel unter Verbandsaufsicht zu stellen. "Jedes Wochenende mindestens ein bis zwei Spiele. Wie konnte es so weit kommen?", fragt Krollmann in der "Allgemeinen Zeitung".
Verbale Gewalt ein großes Thema
Dass viele Spiele aufgrund des Nachwuchsmangels gar nicht mehr besetzt werden können, hängt laut der Kriminologin Thaya Vester auch mit Gewalterfahrungen beim Fußball zusammen. Die beginnen nicht erst bei Schlägen. "Verbale Gewalt ist leider ein großes Thema im Amateurfußball", sagt Vester gegenüber ZDFheute.de.
Laut DFB waren in der Saison 2020/2021 bundesweit rund 44.800 aktive Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen gemeldet.
Zum Vergleich: Zur Heim-WM 2006 gab es beim DFB noch etwa 81.000 Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen.
Zum Vergleich: Zur Heim-WM 2006 gab es beim DFB noch etwa 81.000 Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen.
Ralf Klohr, Erfinder der Fair Play Liga im Kinderfußball, der gemeinsam mit Vester und DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning das Projekt "Miteinander - Perspektivwechsel im Basis-Fußball" initiiert hat, ergänzt:
Schiedsrichter vermisst Unterstützung
Josip Pfadt hat nach seinen Erfahrungen vor vier Wochen die Unterstützung seines Verbandes vermisst und nimmt diesen in die Pflicht: "Mich hätte das ja auch psychisch mehr mitnehmen können. Aber niemand hat gefragt: Wie geht es dir?"
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